Juni 2016 Stellungnahme der LEV zum Entwurf eines Erlasses zur Leistungsbewertung


Kurzform: Das Bildungsministerium legt den Entwurf eines Erlasses zur Leistungsbewertung vor. Die LEV Gymnasien verfügt durch die Ergebnisse der AG Leistungsmessung über eine detaillierte Haltung zum Thema Leistungsbewertung. Eine erste kurze Stellungnahme geht nach wenigen Tagen an das Bildungsministerium. Die LEV Gymnasien weist hin auf

  • die besondere Situation gymnasialer Lerngruppen, die bei dem Erlass zur Leistungsbewertung nicht ausreichend berücksichtigt wurde,
  • die Auswirkung des Leistungserlasses auf die Unterrichtsgestaltung, die einer intensivere Einbeziehung von Lehrkräften und Eltern notwendig macht,

und fordert eine Fristverlängerung bis Ende 2016 zur Klärung von Detailfragen.


Die Stellungnahme kann man hier herunterladen. Den seit August 2016 gültige Erlass zur Leistungsbewertung findet man im Amtsblatt des Saarlandes Nr. 26 Teil I vom 14. Juli 2016.


Stellungnahme zum „Entwurf eines Erlasses zur Leistungsbewertung in den Schulen des Saarlandes“

Sehr geehrter Herr Minister,

die Landeselternvertretung der Gymnasien bedankt sich für die Gelegenheit, zum „Entwurf eines Erlasses zur Leistungsbewertung in den Schulen des Saarlandes“ Stellung nehmen zu können, der uns durch das Ministerium für Bildung und Kultur am 3. Juni 2016 zugeleitet wurde. Die Landeselternvertretung der Gymnasien vertritt die Interessen von über 20.000 Schülern bzw. ihren Erziehungsberechtigten. Wir bedauern daher, nicht früher in die Erarbeitung des neuen Erlasses einbezogen worden zu sein.
Der uns vorgelegte Entwurf lässt das Potential erkennen, bestehende Regelungen zu modernisieren, einige Konfliktquellen zu entschärfen und die Bedeutung wechselseitigen respektvollen Handelns zu dokumentieren, die heute alle an Schule Beteiligten als Voraussetzung für gelingendes Lehren und Lernen betrachten. Die Landeselternvertretung der Gymnasien anerkennt die Detailarbeit, die in den Entwurf einer Vielzahl möglicher Leistungsnachweise und ihrer organisierten Umsetzung im Schulalltag geflossen ist. Mit der Berücksichtigung schülerbezogener Diagnostik und individualisierter Formen der Leistungsmessung kommt der Vorschlag den Wünschen vieler Eltern nach schülerzentrierten Unterrichtsformen entgegen.
Als Elternvertreter saarländischer Gymnasien möchten wir die Entwicklungsgruppe davon überzeugen, die Perspektive gymnasialen Schullebens an einigen Stellen nochmals zu hinterfragen und einzuarbeiten. Durch den vertieften Fachunterricht, der an unserer Schulform von Sekundarstufe I an systematisch stattfindet, ergeben sich bezüglich der Leistungsbewertung besondere Bedingungen und Risiken, die womöglich in anderen Schulformen so nicht zum Tragen kommen. Folgende Beispiele sollen einen Ausblick auf eine mögliche Fortsetzung der Entwicklungsarbeit geben:

  1. Lerngruppen an Gymnasien sind in ihrer Zusammensetzung vergleichsweise homogen und arbeiten auf ein einheitliches Ziel hin. Die Möglichkeit individualisierter Leistungsnachweise muss auf diesem Hintergrund sorgfältig geprüft werden, damit nicht neues Konfliktpotential aufgrund mangelnder Transparenz und Vergleichbarkeit entsteht.
  2. Die Forderung, prinzipiell alle großen Leistungsnachweise während der Unterrichtszeit anfertigen zu lassen, stellt für das gymnasiale Umfeld ein besonderes Problem dar – insbesondere im von vielen Eltern gewünschten Halbtagsschulbetrieb. Die Dichte der Lehrplaninhalte lässt nur eingeschränkt Raum für die aufwändige Erstellung von Einzelarbeiten im Vormittagsbereich, wie beispielsweise Referate oder Portfolios. Ebenso erscheint der hohe Zeitaufwand für Einzel- oder Kleingruppenprüfungen problematisch.

Die Vorgaben aus dem Erlassentwurf wertet die Landeselternvertretung der Gymnasien als wichtige und interessante Denkanstöße. Die von uns beispielhaft angeführten Punkte belegen, dass sie einer weiteren Diskussion bedürfen. Der Entwurf aus dem saarländischen Bildungsministerium kann ein gelungener Einstieg in einen Aushandlungsprozess sein, der zukunftsweisend für saarländische Demokratie und Schulpolitik werden kann. Die Qualität von Entscheidungen wächst und die Belastung durch ihre Umsetzung sinkt, wenn im Vorfeld verschiedene Perspektiven und Interessen auf Augenhöhe diskutiert werden konnten. Der avisierte Erlass geht einher mit einer erheblichen Wirkung auf den Erziehungs- und Bildungsauftrag, den sich Schule und Erziehungsberechtigte teilen; erkennbar wirkt beispielsweise die geplante Bewertung personaler und sozialer Kompetenzen auf den Erziehungsauftrag der Eltern ein. Deswegen ist eine stärkere Einbeziehung der Interessen der Landeselternvertretung der Gymnasien – stellvertretend für die Interessen einer großen Zahl von Eltern und Erziehungsberechtigten – unerlässlich.
Die in dem Erlassentwurf angeschnittenen Themenbereiche sind außerdem so komplex und vielschichtig, reich an Chancen und Risiken, durchzogen von Abhängigkeiten und Widersprüchen, dass ein fundierter Beitrag von Seiten der Eltern nicht nur einer längeren Vorbereitungszeit bedarf, sondern auch ausreichend Zeit für Anhörungen zur Verfügung gestellt werden sollte.
Der gleichzeitig im Bildungsministerium anlaufende Einstieg in eine Überarbeitung des Schulmitbestimmungsgesetzes zeigt in unseren Augen beispielhaft, wie das Zusammenspiel verschiedener Interessensgruppen organisiert werden kann. Die Schnittmengen bei den Themen Schulmitbestimmung und Leistungsmessung sind erheblich – und nehmen angesichts der angestrebten Individualisierung von Leistungserbringung und -bewertung weiter zu. Die Landeselternvertretung der Gymnasien hält es deswegen für gewinnbringend für alle Beteiligten, wenn die beiden Überarbeitungsprozesse zeitlich parallel verlaufen und genügend Gelegenheiten für Abstimmungsprozesse zur Verfügung gestellt werden.

Die Landeselternvertretung der Gymnasien hält es für wahrscheinlich, dass Details aus dem neuen Erlass bez. Anzahl, Umfang und Durchführung von Leistungsmessungen erheblichen Einfluss auf die Unterrichtsgestaltung nehmen wird. Insbesondere gilt dies für die Verpflichtung zur Variation großer Leistungsnachweise und zu ihrer vollständigen Erstellung während der Unterrichtszeit. Es ist zu prüfen, ob mit diesem Erlass im Detail die Bildungsziele der einzelnen Schulformen gewahrt bleiben.

Angesichts der vorgenannten Überlegungen und der Wirkung schulrechtlicher Erlasse auf den gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrag beantragt die Landeselternvertretung der Gymnasien eine Fristverlängerung für Anhörungen und Verhandlungsrunden zum anstehenden „Erlass zur Leistungsbewertung in den Schulen des Saarlandes“ bis zum 31.12.2016.