September 2015 Zur Anhörung G9-Jetzt!-Saarland

Stellungnahme zur Anhörung „G9-jetzt-Saarland“ am 24.09.2015 beim Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien.

Die Landeselternvertretung der Gymnasien reagiert auf Beobachtungen, die sich in vielen Gesprächen mit Eltern und durch Diskussionen innerhalb der Sitzungen der LEV Gym ergeben haben. Die Stellungnahme fasst Hinweise auf konkrete Missstände bzw. atmosphärische Entwicklungen auf.

  1. Die Fragestellung: Die Initiative G9-jetzt-Saarland beschreibt in ihrem Anliegen eine mangelhafte Umsetzung von G8 im Saarland sowie das Ausbleiben von Qualitätsgewinn und stellt die These auf, dass gute Bildung Zeit braucht. Der LEV Gym hält Teile dieser Aussagen für zutreffend, kann jedoch der These nicht pauschal zustimmen, eine Wahl zwischen G8 und G9 entspreche der Wahl zwischen schlechter und guter Gymnasial­bildung.
  2. Qualitätsverbesserungen: Unabhängig von der Schulzeitlänge fordert die LEV Gym
    1. Ausreichend Lernzeit in Relation zu den Lehrplänen: Viele Schüler, Eltern und Lehrer machen die Beobachtung, dass zurzeit Lehrplanvorgaben und verfügbare Zeit in einer ungünstigen Relation zueinander stehen. Regelmäßig muss relevanter Stoff zum Schuljahresende und auch während des Schuljahres in Form von „Homeschooling“ und ohne jegliche Unterstützung durch die Schule aufgearbeitet werden. Phasenweise erscheint die Behandlung komplexen Stoffes innerhalb der Schule als zu knapp und das Erlernen als wenig dauerhaft. Eine adäquate Lehrplangestaltung und regelmäßige Überarbeitung basierend auf Rückmeldungen von Schülern und Lehrern hält die LEV Gym unabhängig von G8 und G9 für dringend geboten.
    2. Stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse Heranwachsender: Die LEV Gym beklagt die große Stoffdichte in der G8-Mittelstufe, während der sich große Teile der Pubertät abspielen. Etliche Gutachten weisen darauf hin, dass besonders Jungen durch das aktuelle Bildungssystem benachteiligt werden und ihre speziellen Bedürfnisse bez. Motivation und Stoffaneignung oft nicht ausreichend berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass G8 eine Zunahme der täglichen sitzenden Tätigkeit bedeutet, die wenn möglich innerhalb des Schulsystems durch verstärkte Bewegungsangebote ausgeglichen werden sollte.
    3. Ein flexibleres Angebot bei der Auswahl der E-Kurse in der Oberstufe: Eine Betonung der Allgemeinbildung durch verpflichtenden Unterricht in den Basisfächern Deutsch, Mathematik und Fremdsprache begrüßt die LEV Gym. In Anbetracht der steigenden Anforderungen an den Universitäten durch den stetigen Fortschritt in der Forschung hält sie es aber für dringend geboten, den Schülern bereits in der Oberstufe die Ver­tiefung eines naturwissen­schaft­lichen oder geisteswissenschaftlichen Faches zu ermöglichen. Dies entspricht nicht nur den Vorgaben der KMK, sondern ist auch in vielen anderen Bundesländern die Regel, deren Schülern somit ein Wettbewerbsvorteil gegenüber den Saarländern zuwächst.
    4. Eine Verringerung der Unterrichtsbelastung für Lehrer: Angesichts der zunehmen­den Anforderungen durch heterogenere Schülergruppen und den Anspruch vieler Eltern auf konkrete partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Lehrkräften sollte wesentlich mehr Zeit für außerunterrichtliche Arbeit für Lehrkräfte zur Verfügung gestellt werden. Nur so können individuelle Förderung, Lehrer-Eltern-Gespräche und Teamarbeit innerhalb des Kollegiums realisiert und unsere Schulen modernisiert werden.
  3. Identitätswahrung für die Gymnasien: Gymnasien und Gemeinschafts- oder Gesamtschulen unterscheiden sich nicht nur durch die Länge der Schulzeit. Deswegen halten wir die Aussage, es gebe bereits jetzt eine Wahlfreiheit zwischen G8 und G9 für nicht hilfreich. „Die Besonderheit von Gymnasien wird grundlegend durch die im Unterricht abverlangten Niveaus definiert, die sich auf spezifische Fachangebote beziehen“ (Oelkers 2003). Eltern von Gymnasialkindern wünschen sich entsprechend für ihre Kinder nicht nur das Abitur als Abschluss, sondern einen bestimmten Ausbildungsweg dorthin. Den anhaltend großen Zustrom an die Gymnasien sieht die LEV Gym als Abstimmung der Eltern „mit den Füßen“.

Eine nicht unwesentliche Anzahl von Eltern wünscht für ihre Kinder an Gymnasien eine Rückkehr zu G9. Die Ursachen dafür sind vielfältig und hängen nicht nur mit der Länge der Schulzeit zusammen. Keinesfalls wünscht die LEV Gym deswegen eine bloße Umverteilung der jetzigen Unterrichtsstunden auf 9 statt 8 Jahre. Nur eine Entwicklung hin zu einem verbesserten G9 kann ein bildungspolitisch sinnvoller Schritt sein.